Wie bekannt war Max Zirngast nicht nur in der Türkei wegen „Terrors“ angeklagt und im Gefängnis. Die Oberstaatsanwaltschaft Graz fühlte sich ebenfalls bemüßigt, ganz nach der Devise „doppelt hält besser“ parallel zum Verfahren in der Türkei auch in Österreich ein Terrorverfahren gegen Max Zirngast zu eröffnen.
Im Zuge dieses Verfahrens, das auf den absurden Beschuldigungen der türkischen Willkürjustiz und einem nichtssagenden BVT-Bericht basierte, wurden zwei Rechtshilfeersuchen an das zuständige Gericht in der Türkei gestellt, in denen nahegelegt wurde, dass auch in Österreich Erkenntnisse gegen Max Zirngast vorlägen. Eingestellt wurde das Verfahren erst, nachdem Max und die anderen Mitangeklagten in der Türkei von allen Beschuldigungen freigesprochen worden waren. Die österreichischen Behörden sahen weiters keine Notwendigkeit Max über das Verfahren zu informieren: Er erhielt erst nach der Einstellung des österreichischen Verfahrens Kenntnis darüber, dass es überhaupt eines gegeben hatte.
Gegen dieses Vorgehen hatte Max mit seinem Anwalt Clemens Lahner Ende letzten Jahres Einspruch erhoben. Der Einspruch argumentierte, dass Max’ subjektive Rechte durch die Nichtinkenntnissetzung verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft Graz hatte argumentiert, dass Kontakt und Aufenthaltsort von Max nicht bekannt waren. Weiters argumentierte der Einspruch, dass die Rechtshilfegesuchen, in denen insinuiert wurde es gäbe Ermittlungsergebnisse auch in Österreich, Max in der Türkei in Gefahr brachten. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich die türkische Willkürjustiz von dem Schreiben aus Graz ermutigt gefühlt hätte weiter zu machen wie bisher und/oder Max einfach länger im Gefängnis zu behalten.
„Die Argumentation überzeugt“
Nachdem das Landesgericht Graz in einem Beschluss vom 31. März 2020 den Einspruch abgelehnt hatte, legten Max und sein Rechtsanwalt Lahner eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ein. Mit 17. August hat nun das Oberlandesgericht Graz dieser Beschwerde recht gegeben und festgehalten, dass Max durch das Verfahren in Graz in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde.
Und zwar genau aus den von Max und seinem Rechtsanwalt Lahner vorgeführten Gründen: Erstens hätte Max von der ermittelnden Staatsanwaltschaft über das Verfahren informiert werden müssen. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft, dass Max nicht habe informiert werden können, „überzeu[e] nicht“ (9Bs 166/20k, S. 5), da mehrere Meldeadressen von Max bekannt gewesen seien und Max zudem permanent im Kontakt mit den österreichischen Behörden gewesen sei. Zweitens seien die Rechtshilfeersuchen an sich zwar nicht rechtswidrig gewesen, die Formulierung, dass auch Ergebnisse der österreichischen Kriminalbehörden gegen Max vorlägen aber schon, denn dem hierfür vorgeführten BVT-Bericht ließen sich „keinerlei verdachtsbegründenden Ansätze entnehmen“ (ebd., S. 6). Zur Argumentation des Einspruchs, dass die Formulierung eines begründeten Anfachtsverdachtes auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation auch aufgrund von angeblichen Erkenntnissen der österreichischen Kriminalpolizei Max gefährdet habe, da sie seine Verfahrensposition in der Türkei gefährdet und zu längerer Haftdauer hätte führen können, hält das OLG unmissverständlich fest: „Diese Argumentation überzeugt“ (ebd., S. 7). Und gibt auch hierin Max recht. Somit ist klar, dass die Grazer Staatsanwaltschaft zu Unrecht gegen Max ermittelt und ihn der Gefahr der zusätzlichen Repression in der Türkei ausgesetzt hat.
Präzendenzfall gegen Kooperation mit türkischer Willkürjustiz?
Zum Abschluss der Causa Max Zirngast und dieses kleinen Justizskandals möchten wir als Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast nur mehr hervorheben: Die politisierte Justiz in der Türkei wird als Waffe seitens des Regimes von Erdoğan genutzt, um Oppositionelle mundtot zu machen oder sie einzusperren. Diese macht auch keinen Halt vor ausländischen Staatsbürger*innen. Trotzdem zögern europäischen Staaten immer noch oft genug, sich klar für ihre betroffenen Staatsbürger*innen einzusetzen. Viel zu oft wird Appeasement betrieben, teils sogar der Willkürjustiz in der Türkei zugearbeitet. Auch seitens Österreichs. Die europäische Justiz und die europäischen Regierungen sollten nicht mehr mit der türkischen Justiz kooperieren, wo es um die Unterdrückung von Oppositionellen und abweichenden Meinungen geht. Sondern sie sollten klar machen, dass sie dieses Spiel nicht mehr mitmachen und sich für die Rechte ihrer Staatsbürger*innen einsetzen. Wir hoffen, die Causa Max Zirngast und der jetzt erfolgte Beschluss des OLG haben einen kleinen, bescheidenen Beitrag hierzu geliefert.